Werkzeugkiste: Vereinbarungen in Gruppen
von Clemens Böge
In Klausuren und Teamevents geht es sehr häufig darum, neue Regeln oder Maßnahmen zu erarbeiten, z.B. für die Team-interne Kommunikation und Zusammenarbeit. Diese Regeln sollen dann als gültige Vereinbarungen fixiert werden. Dazu gibt es in der Praxis unterschiedliche Vorgehensweisen – zwei davon möchte ich hier vorstellen und mit eigenen Erfahrungen ergänzen und illustrieren.
Die „große“ Lösung: Fish Bowl Methode
Ausgangspunkt in beiden Varianten ist eine relevante und passend formulierte Fragestellung, wie z.B. „Welche Vereinbarungen sollen im Team getroffen werden, um in Zukunft produktiv und konstruktiv arbeiten zu können?“ Diese Fragestellung wird in Kleingruppen diskutiert und dort werden auch konkrete Vorschläge formuliert, über die in der Kleingruppe Einigkeit herrscht. Dieser Arbeitsschritt ist in Gruppen von 3-6 Personen leichter und konstruktiver umsetzbar, als in einem Plenum mit 12 oder 20 oder mehr. Im Anschluss findet dann ein Aushandlungsprozess statt, um auch in der gesamten Gruppe einen Konsens zu erzielen. Für diesen Prozess gibt es ein klares Setting und ein paar Regeln, die für eine strukturierte Bearbeitung sorgen und ein „Zerreden“ vermeiden helfen. Das Setting beinhaltet einen Innenkreis mit Delegierten aus den Kleingruppen sowie einem leeren Stuhl (quasi das Innere des „Goldfischglases“) und einen Außenkreis, in dem alle anderen Teilnehmer Platz nehmen.
Fish Bowl Regeln:
- Es darf nur im Innenkreis gesprochen werden.
- Entscheidungen dürfen nur durch den Innenkreis getroffen werden.
- Wer zur Diskussion im Innenkreis etwas beitragen möchte, kann dafür auf dem leeren Stuhl Platz nehmen.
- Der Innenkreis hat die Möglichkeit, Mitglieder des Außenkreises auf den leeren Stuhl zu bitten.
- Der Stuhl muss nach Beendigung des jeweiligen Beitrags wieder verlassen werden.
Ziel ist es, verbindliche Vereinbarungen auszuhandeln und diese zu verschriftlichen (Flipchart). Je nach Kultur der Gruppe kann dieser Prozess unterschiedlich lang dauern, 45′ braucht es mindestens, manchmal aber auch deutlich länger. Hier ist der Berater häufig als Moderator gefragt, um den Prozess zu steuern oder auch zu beschleunigen. Manchmal reicht ein gelegentlicher Hinweis auf die Zeit oder die Einhaltung der Regeln, es kann aber auch hilfreich sein, sich als Schriftführer anzubieten. In dieser Rolle kann man z.B. nachfragen, ob bzgl. eines Vorschlags Einigkeit herrscht oder wie die Formulierung genau lauten soll.
Im Idealfall entsteht so ein hilfreiches Regelwerk, das von allen getragen wird und zum Abschluss als symbolischer Akt auch von allen unterschrieben werden kann. In manchen Fällen geht das Ergebnis allerdings nur wenig über einen kleinsten gemeinsamen Nenner hinaus. Daher sollten Ergebnis und Prozess abschließend unbedingt reflektiert und ggf. weitere Schritte festgelegt werden. Insgesamt also eine gründliche, aber auch recht aufwendige Vorgehensweise.
Die „kleine“ Lösung: Silent Sorting
Wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht oder ein solcher Aufwand aus anderen Gründen unangemessen erscheint, gibt es eine niederschwelligere Variante. In diesem Fall notieren die Kleingruppen ihre Vorschläge auf Moderationskarten und stellen diese anschließend im Plenum vor. Alle Karten werden dabei auf einer Pinwand befestigt. Nach Klärung inhaltlicher Fragen ist der Auftrag an alle, die Karten mit den akzeptierten Vorschlägen auf eine zweite Pinwand umzuhängen. Sie werden dadurch zu gültigen Vereinbarungen. Es gelten dabei nur zwei Regeln:
1. Jede(r) darf jede Karte bewegen – auch in die Gegenrichtung. Dadurch wird quasi ein Vetorecht etabliert.
2. Es wird nicht gesprochen. Diese Regel dient vor allem der Beschleunigung des Prozesses.
Nach einer gewissen Zeit mit viel Bewegung wird es irgendwann ruhiger und ein Ergebnis bildet sich heraus. Es kann jedoch auch vorkommen, dass einzelne Karten immer wieder von links nach rechts wandern, d.h. es herrscht offensichtlich kein Konsens in Bezug auf diese Punkte. Hier ist es Aufgabe des Moderators, den richtigen Zeitpunkt abzuschätzen, um diese Karten aus dem Spiel zu nehmen und in einem Themenspeicher zu parken. Ansonsten kann das Hin und Her, je nach Ausdauer der Beteiligten, recht lange dauern oder irgendjemand gibt nach, ohne aber mit dem Ergebnis einverstanden zu sein.
Die Auseinandersetzung mit den Vorschlägen ist in dieser Variante natürlich weniger intensiv und möglicherweise hat das Ergebnis nicht die gleiche Kraft, wie das eines Fish Bowls. Andererseits kann dieser schnelle und pragmatische Zugang auch anschlussfähiger sein, wenn eine Gruppe lange Diskussionen und langes Zuhören ablehnt. Eine abschließende Reflexion ist aber auch hier notwendiger Schlusspunkt der Arbeit.