Die Magie der Zahlen

von Clemens Böge

Genauer gesagt, sind es nicht die Zahlen an sich, die mich beschäftigen, als vielmehr die allgegenwärtigen Listen mit einer bestimmten Anzahl von Tipps, Eigenschaften oder Verhaltensweisen. Diese Listen begegnen mir ständig, wenn ich im Web unterwegs bin. Sie werden geteilt, ge-twittert und ge-liked und meistens geht es darum, erfolgreich zu sein. Häufig zu finden sind sie auf englischsprachigen Websites zu Business-Themen. Hier eine kleine Auswahl:

3 Beliefs Of Extremely Successful People

4 Steps to Stop Soul-Sucking Meetings

5 Signs Your Company Culture May Actually Suck

6 Subtle Things Highly Productive People Do Every Day

7 Tips to Stay Afloat When Times Get Tough

8 Bad Work Habits That Can Ruin Your Career

9 Things Rich People do Differently Every Day

10 Regrets You Can Avoid

11 Simple Ways To Make Yourself Happy Every Day

12 (Mostly Free) Web Tools for Entrepreneurs

13 Habits Of Stressed-Out People

(Quelle: businessinsider.comentrepreneur.com)

Zahlenspielereien

Zu fast jeder Zahl zwischen 0 und 20 gibt es irgend eine Liste von Dingen, die andere tun oder die man selbst tun oder lassen sollte. Ausnahmen sind eigentlich nur die 1 (wäre keine Liste) und die 2 (wäre wohl eine zu kurze Liste). Zahlen jenseits der 20 kommen vor, sind aber seltener. Deutliche Häufungen in meiner nicht repräsentativen Erhebung gibt es zum einen bei der 10. Woher das kommen mag, kann sich jeder in einem christlichen Umfeld sozialisierte Mensch gut vorstellen.
Klarer Sieger, mit mehr als doppelt so häufiger Verwendung wie alle anderen Zahlen, ist allerdings die 5. Auch diese Zahl hat diverse religiöse Deutungen, ihre große Häufigkeit bei den genannten Listen verdankt sie aber möglicherweise den fünf Fingern einer Hand. 5 ist übersichtlich, 5 lässt sich gut merken. (Ganz nebenbei: Das Wort fünf ist eines von nur drei deutschen Wörtern, die auf „nf“ enden, neben Senf und Hanf. Genf zählt nicht).

Was leisten Listen?

Zumindest auf den beiden oben zitierten Plattformen, aber auch auf vielen anderen Blogs, Websites etc. gehören Listen zu den am häufigsten angebotenen und auch genutzten Inhalten. Aktuell bestehen sieben der Top 10 Beiträge des Monats auf entrepreneur.com aus Listen. Die Leute lieben sie anscheinend. Warum?

Listen sind fast immer abgeschlossen und somit (end-)gültig. Zu den 10 Geboten sind schließlich auch keine weiteren hinzu gekommen. Folglich muss ich nicht mehr tun, als die 5, 7 oder 10 Regeln zu beherzigen, um besser, schöner und erfolgreicher zu werden.
Listen sind leicht verdaulich und schnell gelesen. Die meisten der o.g. Beiträge brauchen 3-5 Minuten meiner Zeit. Damit entsprechen sie sehr gut den Lesegewohnheiten im Web, wo gern kleine, gut strukturierte Content-Happen konsumiert werden.
Listen reduzieren aber vor allem Komplexität und suggerieren mir, dass eigentlich alles ganz einfach ist. Ist es aber nicht. Produktivität, Reichtum und Erfolg sind selten das Ergebnis einer genau zu beziffernden Anzahl an Eigenschaften oder Verhaltensweisen. Und genau diese Vereinfachung macht derartige Listen für mich meistens so unergiebig. Sie folgen einem ähnlichen Muster wie viele Management-Ratgeber: Mach es wie die Erfolgreichen und Du wirst selbst erfolgreich sein.

Wenn Ihr Listen kennt, die Ihr für wirklich brauchbar haltet, lasst es mich bitte wissen.

 

Nachtrag 17. Juli

Dank eines Artikels in brand eins weiß ich jetzt auch wie diese auf Listen beruhenden Artikel heißen: Listicles. Tolles Wort. List + Article. Aber dass ganze Geschäftsmodelle im Onlinejournalismus darauf beruhen, das muss ich erst noch verstehen lernen.

 

Titelbild: freeimages

 

2 Kommentare zu “Die Magie der Zahlen”

  1. Juli 21, 2014 at 3:32 pm, expertimente said:

    An meiner Pinnwand hängt eine Liste mit 11 commandments von Henry Miller aus einem Blogbeitrag von Clemens Böge 🙂

    Was die 10 Gebote angeht, gibt es spannende neue Forschungserkenntnisse von Martin Perscheid, die darauf hindeuten, dass es doch 12 Gebote sind (würde ja auch zu den 12 Aposteln passen).

    Nr. 11: http://www.poster.net/perscheid-martin/perscheid-martin-der-pabst-findet-das-11-gebot-2303625.jpg

    zu Nr. 12 finde ich keinen Link, aber es war „Du sollst nicht staubsaugen“

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    • Juli 21, 2014 at 6:56 pm, Clemens Böge said:

      Da kann man mal sehen, wie alt das Phänomen der Listicles schon ist. Millers Liste stammt immerhin aus den 30ern.

      Danke für Nr. 11!

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