Schein und Sein in der Beratung
von Clemens Böge
In der Arbeit mit GründerInnen begegnen mir, sagen wir mal, sehr unterschiedliche Haltungen in Bezug auf die gefühlte eigene Bedeutsamkeit. Die einen machen sich vor lauter Understatement kleiner als sie sind und man möchte ihnen angesichts der gezeigten Zurückhaltung zurufen: Bitte etwas mehr Selbstbewusstsein!
Andere dagegen nutzen jede Gelegenheit, sich selbst und die eigenen Kompetenzen in Szene zu setzen und tragen mit ihrer Selbstdarstellung oft genug etwas zu dick auf. Gerade wenn es um beraterische Tätigkeiten geht, Unternehmensberater, Coaches etc., überwiegt in meiner Wahrnehmung der zweite Typus.
Schon klar, Klappern gehört zum Handwerk und das Selbstmarketing spielt eine nicht unwesentliche Rolle, wenn es darum geht, neue Kunden oder Projekte an Land zu ziehen. Und natürlich ist es eine Frage des persönlichen Empfindens, ab wann aus gesundem Selbstbewusstsein übertriebener Geltungsdrang wird. Davon abgesehen gibt es aber auch Hypothesen, die hinter diesem Verhalten zu stehen scheinen und die man durchaus mal überprüfen kann.
Meine Verehrung, Herr Generaldirektor
Dass in Österreich akademische und sonstige Titel eine größere Bedeutung haben als in Deutschland, daran habe ich mich gewöhnt. Auch ich habe auf meiner Visitenkarte alles drauf, was ich diesbezüglich zu bieten habe (in der ersten Auflage wollte ich noch durch bewussten Verzicht und angeberische Schlichtheit glänzen, habe das aber korrigiert).
Aber muss man deswegen als Einzelunternehmer gleich zum Geschäftsführer oder gar CEO werden, wie man es regelmäßig sieht? Natürlich führe ich irgendwie meine Geschäfte, das liegt in der Natur der Sache. Aber ich koche auch Kaffee, kümmere mich um die Buchhaltung und kaufe neues Büromaterial. Ich bin GF, Assistent, CFO, Key Account Manager und Marketingmann in Personalunion. Und das ist auch gut so, das bringt Spaß und Abwechslung und hat am Ende alles auch etwas mit meiner unternehmerischen Verantwortung zu tun.
Vielleicht stammen die manchmal etwas großspurigen Titel ja nur aus den Drop-down Menüs einschlägiger Business-Plattformen wie Xing oder LinkedIn. Und vielleicht gibt es tatsächlich Kunden, bei denen man als selbsternannter Geschäftsführer schneller einen Termin bekommt. Trotzdem finde ich diese Form der Übertreibung einfach unnötig. Gerade als Unternehmensberater, Coach, Trainer etc. bewegt man sich in einem Umfeld, dass von kleinen Anbietern und Einzelunternehmern geprägt ist. Ein wichtig klingender Business Titel, der bei genauem Hinsehen ohnehin keine Substanz hat, macht für den Kunden keinen Unterschied.
Institut für Consulting
Franz Mayer macht sich als Berater selbständig. Irgendeinen Namen braucht die Firma natürlich und wie heißt sie nach einem 5-minütigen Brainstorming mit sich selbst? Mayer Consulting. Oder halt, vielleicht doch lieber FM Consulting. Das ist englisch (immer gut), klingt nach großer, weiter Berater-Welt (die Boston Consulting Group ist zumindest sprachlich in Reichweite) und bleibt vage genug, um als Klammer für das geplante breite Angebot an Dienstleistungen zu dienen.
Eine andere Variante ist es, den eigenen Tätigkeiten wahlweise in einem „Institut“ oder einem „Zentrum für XY„ nachzugehen. Auch das klingt bedeutend und rückt das eigene Unternehmen in unmittelbare Nähe von Universitäten und anderen Orten des Geistes und der Intelligenz.
Klar, wenn ich international tätig bin, dann macht ein überall verständliches Consulting im Firmennamen schon Sinn. Und wenn Forschung und Lehre wirklich Teil meiner Arbeit sind, dann bitte Institut. Meinetwegen. Ansonsten sind auch das nur Versuche, mehr Schein zu produzieren, als an Sein vorhanden ist. Mindestens aber ist es nicht sehr einfallsreich. Also: Denkt Euch bitte mal was anderes aus!
Size matters!?
Wenn ich als Berater ganz allein mein Business starte, komme ich mir verständlicherweise oft sehr klein vor. Partnerschaften sind da eine sehr sinnvolle Sache, aber auch hier gibt es unterschiedliche Motivationen und Ausgestaltungen. Man kann einfach faktisch zusammen arbeiten und von- und miteinander lernen. Man kann gemeinsam am Markt auftreten und so Kosten sparen. Oder man versucht auch hier wieder eine vermeintliche Größe zu erzeugen, die für potentielle Kunden interessant sein könnte. In der Praxis sieht das dann häufig so aus, dass Berater A auf der Website von Beraterin B als Kooperationspartner auftaucht und umgekehrt. Zusammen gearbeitet haben die beiden bislang noch nicht, aber man ist nicht mehr so allein.
Dahinter steckt oft die nicht ganz falsche Idee, dass größere Firmen auch nur mit größeren Dienstleistern arbeiten. Bei Projekten mit einem entsprechenden Volumen ist das sicher auch der Fall, nicht zuletzt aufgrund der erwarteten Absicherung gegen z.B. krankheitsbedingte Ausfälle. Gerade wenn ich noch neu am Markt bin, ist die Gefahr eines solchen Großauftrags aber ohnehin eher klein. Vielmehr spielt bei den Aufträgen, die ich in dieser Situation tatsächlich in der Lage bin zu akquirieren, Größe eine untergeordnete Rolle. Wenn ich bei einem großen Projekt dann aber tatsächlich zum Zug komme, wird mein eher flüchtig gewobenes Netzwerk einem echten Belastungstest unterzogen.
Aber auch große Firmen arbeiten häufig genug mit Einzelpersonen zusammen, wenn diese spezifische Kompetenzen mitbringen, die gerade gefragt sind. Eine belastbare Positionierung und eine klares Profil sind daher wesentlich wichtiger als reine Größe. Und wenn dann aufgrund positiver Erfahrungen bei kleineren Themen tatsächlich größere Anfragen kommen, arbeite ich mit den KollegInnen zusammen, die ich gut kenne, denen ich vertraue und mit denen ich schon erfolgreich tätig war.